Vor einigen Monaten hatte ich einen kleinen Beitrag über mein Kreisliga-Debüt als „Schach-Papa“ auf die Vereinshomepage gesetzt. Da konnte ich noch nicht ahnen, was ich mit meinem Geschreibsel lostreten würde! Jugendleiter anderer Vereine fragten plötzlich an, ob sie den Artikel zur Mobilisierung ihrer Schach-Eltern verwenden dürften, zwischendurch fand er sich auf der Webseite der Bayerischen Schachjugend und als ob das noch nicht genug wäre, hat das Schachmagazin Perlen vom Bodensee ihn aufgegriffen und noch einmal veröffentlicht. Das Thema „Eltern ans Brett“ ist offenbar heißer als ich erwartet hatte.
Von Conrad Schormann, dem Betreiber dieses Magazins, stammt auch die Anregung, das Ganze irgendwann mal in einer Rückschau zu reflektieren. Daran werde ich mich heute in der Sommerpause versuchen.
Wenn ich es auf einen Begriff verdichten müsste, was mir als völliger Neueinsteiger zu meinem autodidaktischen Debüt im Alter von 45 als Erstes einfällt, dann „Demut“. Als Vater dreier Schach-Kinder schnappt man über die Jahre so einiges auf – manche würden es auch „gefährliches Halbwissen“ nennen – und irgendwann dachte ich tatsächlich, ich könne mitreden bei dem, was die da treiben. Live-Bretter wie auf der Deutschen oder der DSOL machen es möglich, die Partien seiner Kinder in Echtzeit auf dem heimischen TV zu verfolgen. Bequem auf der Couch lümmelnd hört man sich dann Sachen sagen wie „warum hat er denn den nicht gespielt“ oder „ich hätte an der Stelle…“. Ich hätte? Klar! Auf dem Analysebrett sieht immer alles völlig logisch aus, als ob es keinen anderen möglichen Zug als diesen gegeben hätte! Und wenn nebenbei noch eine Engine läuft und vorab die besten Züge anzeigt, ist’s ganz aus. Papa Schlauberger ward geboren!
Die Perspektive änderte sich jedoch gewaltig, als ich mich erstmals selber ans Brett setzte und es nicht mehr hieß, nur die Züge anderer zu bewerten, sondern mit der tickenden Uhr im Nacken selbst die besten zu finden. Dann ist auf einmal gar nichts mehr offensichtlich! Eine auswendig gelernte Eröffnung kriege ich schon hin – witzigerweise oft sogar mit eigenem Vorteil – aber dann, wenn es wirklich ans Schachspielen geht, kommen früher oder später (eher früher) die Fehler aufs Brett. Läufer aus der Tiefe einer Diagonalen, ganz gefährlich, gerne auch Gabeln oder Spieße, plötzlich war nichts mehr davor sicher, einzügig eingestellt zu werden.
So gesehen hatte es eine gewisse reinigende Wirkung, mich unter Wettkampf-Bedingungen persönlich ans Brett zu setzen. Der Respekt gegenüber meinem eigenen Nachwuchs ist jedenfalls enorm gestiegen seither. Ein „warum hast Du denn den nicht gespielt“ oder gar „sowas muss man doch sehen“ verkneife ich mir seitdem jedenfalls demütig (schon wieder dieses Wort).
Kann ich es anderen Eltern empfehlen? Klar, warum nicht? Ich teile nun das Hobby meiner Kinder nicht mehr nur als Beiwerk, sondern aktiv. Man hat viel mehr gemeinsame Themen, was gut ist, nachdem ich schon keine Ahnung habe, wer Julien Bam oder dieser Wumms ist, von dem die Kids dauernd labern; und es macht Spaß, ja tatsächlich! Aber auch in der Kreisliga sind keine Haubentaucher unterwegs, eine gesunde Portion Selbstironie ist daher ganz hilfreich. Wer befürchten muss, seelisch aus der Bahn geworfen zu werden, wenn ein U10-Kaderspieler dich mühelos austrickst – und das wird passieren am Anfang – der sollte das vielleicht tatsächlich überdenken.
Zwischendurch tut es selbstredend ganz gut, auch mal eine Partie zu gewinnen. Zum Glück gibt es bei der Vereinsmeisterschaft des SK Kelheim ein B-Turnier, wo Einsteiger jung wie alt, Jugendliche ohne Wettkampf-Ambitionen und Gelegenheitsspieler bestens aufgehoben sind. Und so ist es mir tatsächlich gelungen, dort ein paar Siege zu ergaunern. Auch meine im letzten Beitrag erwähnte abseitige Eröffnung konnte ich zum Einsatz bringen. Ob ich jetzt wegen oder trotz dieser gerade noch gewinnen konnte, bleibt an der Stelle offen. 😉
Regelmäßig antreten im Rahmen des regulären Wettkampfbetriebs werde ich aber auch weiterhin nicht – das sollen bitte die machen, die es wirklich gelernt haben – doch wenn ich als Chauffeur sowieso vor Ort bin und ein Spieler fehlt, wieso denn nicht? So vergeht die Zeit wenigstens schneller, als nur dumm herumzustehen und zu warten, dass “die Fracht“ endlich fertig wird. Bei so einer Gelegenheit würde ich mich freuen, gelegentlich auch mal andere Schach-Eltern als Gegner zu bekommen, nicht nur immer gut trainierte Jugendspieler oder deren Ausbilder. Das wäre doch ein Spaß!? Traut Euch!