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„Weil beim Schachspiel die Kinder Zeit und Ort ausblenden und zu Hause sind“

Der Kelheimer Johannes Obermeier bringt seit einem Jahr Flüchtlingskindern das königliche Spiel bei

Wenn am Freitag Abend zwei Autos mit je vier Kindern an Bord von der Saaler Flüchtlingsunterkunft zum Jugendtraining des Schachklub Kelheim aufbrechen, dann sind die Plätze für die Mitfahrgelegenheiten unter den Kindern heiß begehrt.

„Eine Vereinskameradin nimmt auf dem Weg von ihrer Arbeitsstelle in Regensburg ein paar Kinder mit, ich selber fahre auch mit einem vollbesetzten Auto zum Dormero Hotel“, so der Kelheimer Johannes Obermeier, der seit einem Jahr Flüchtlingskindern das Schachspiel beibringt.

„Dabei sind diese acht Kinder nur knapp die Hälfte der Kinder vor Ort, die an den Schach-Nachmittagen jeden Freitag teilnehmen“, so Obermeier weiter.

Der Kelheimer Jura-Student, der im Kelheimer Schachklub auch Teamkapitän der vierten Erwachsenen-Mannschaft in der Bezirksliga Süd ist, berichtet über die Anfänge einer erstaunlichen Entwicklung.

„Es war auf einer Zugfahrt von Regensburg nach Hause, als ein Flüchtlingsjunge unbedingt auf meinem Smartphone spielen wollte. Ich hatte aber nur die Schach-App als Spiel auf meinem Handy, also öffnete ich ihm diese. Ich war dann echt total erstaunt, welche starke Sogwirkung das Schachspiel auf diesen Jungen hatte, er wurde davon regelrecht in den Bann gezogen. Da dachte ich mir, ich schnappe mir mal ein wenig Schach-Material von unserem Verein und biete einen Schachspiel-Nachmittag in der Flüchtlingsunterkunft an“.

Dieser Schachzug Obermeiers erwies sich als Volltreffer. „Seit dieser Zeit habe ich regelmäßig zwischen 15 und 20 Kinder in der Saaler Flüchtlingsunterkunft, die begeistert Schach üben und spielen“, so Obermeier. „An einem Nachmittag waren es sogar 25 Kinder. Da komme ich dann echt an meine Belastungsgrenze“.

Im Kelheimer Schachverein wurde man ebenfalls hellhörig auf die interessierten Schach-Novizen und ist voll des Lobes. „Die Saaler Flüchtlingskinder sind durch die Bank lerneifrig und fleißig bei der Sache“, so der Kelheimer Jugendleiter Constantin Blodig. „Wir haben uns wegen ihrer raschen Fortschritte entschlossen, einige von ihnen beim Schachklub zu registrieren, damit sie am regulären Spielbetrieb und an Verbandsturnieren teilnehmen können. Einige von ihnen haben bereits die ersten Prüfungen eines Trainingszyklus für Anfänger mit Bravour absolviert“.

Für den Initiator Obermeier ist das Bild seiner fleißigen Schüler im Dormero Hotel eine große Bestätigung. „Es wurde mir in kürzester Zeit klar, dass Schach eine universelle Plattform bildet, auf der sich ungeachtet sprachlicher Barrieren ein Gemeinschaftserlebnis bildet. Einmal saßen sich zwei Kinder am Brett gegenüber, die sich nicht in einer gemeinsamen Sprache unterhalten konnten“, so Obermeier. „Da hat dann der eine seinem noch regelunkundigen Gegenüber mit ein paar Handzeichen die Regeln des Spiels erklärt und dann saßen die beiden über eine Stunde an ihrer gemeinsamen Partie und haben miteinander die geistigen Kräfte gemessen. Die beiden Kinder hatten Zeit und Ort ausgeblendet  und waren in ihrer Schachpartie vollkommen zu Hause.“

Ob die Kinder wirklich der Kelheimer Schach-Szene erhalten bleiben, bleibt aber abzuwarten. „Es ist natürlich nicht klar, welchen Weg diese Kinder weiter gehen werden und wo sie letztendlich landen“, so Johannes Obermeier. „Aber vielleicht sollten wir Erwachsenen uns da etwas von den Kindern abschauen und einfach das Hier und Jetzt auf uns wirken lassen. Wenn ich mich auf den Augenblick einlasse, dann habe ich echte Freude, diesen Kindern etwas bieten zu können, was ihnen sichtlich Spaß macht.“

Der Kelheimer Johannes Obermeier umringt von “seinen” Schützlingen, Kindern aus der Saaler Flüchtlingsunterkunft